Im Neuen Jahr wird alles Anders. Wenn Du es anders machst.
Vor einer Weile in der S-Bahn bekam ich gesprächsweise mit, wie zwei Damen sich angeregt unterhielten über ihre körperlichen Wehwehchen, womit sie sich so tagtäglich herumschlagen müssen. Ja, ab einem gewissen Alter gehört das wohl dazu. „Es gibt Leid“, sagen die Buddhisten und erkennen damit nüchtern und schnörkellos die Tatsache als solche an. In der täglichen Begegnung mit Menschen – Patienten, Klienten, aber auch ganz „normalen“ sozialen Kontakten – fällt mir über die Zeit immer wieder auf, welch großen Stellenwert das Leiden doch oft einnimmt im Leben. Ein Satz in dieser Unterhaltung aber ließ mich schmunzeln und nachdenken: „Ja, und ich hab’s bei dem Wetter ganz gern an der Schulter.“ Wie? Ein Leiden „gerne“ haben? Ganz gerne leiden? So ist das wohl, auch bei nicht primär körperlichen Leiden.
Und da drängte sich mir die Frage auf: Wie sähe das Leben wohl aus, wenn der Mensch nicht mehr so viel leiden müsste – könnte – dürfte? So mancher entdeckt beispielsweise nach einer Trennung oder dem Tod des Partners, welchen Stellenwert das Jammern, Schimpfen, Leiden an seinem Verhalten, Charakter, So-Sein bekommen hat im eigenen Leben. Wie sehr man sich definiert hat durch das, was er verkörpert, ermöglicht und vordergründig verunmöglicht hat. Ein schmerzhafter Prozess, die Trauer über den Verlust ist nur ein Teil, der oft viel größere das Entdecken der damit verbundenen Abgabe an Autonomie und eigener Lebensgestaltung, oft ohne Not sondern aus sogenannten „freien Stücken“ – was das auch immer für „Stücke“ von einem sein mögen.
Welchen Stellenwert hat das leid in unserem Leben?
Die eigene Lebensgeschichte neu schreiben
Mein Impuls, einer Arbeit in Richtung Veränderung einen guten Rahmen zu geben, gebar schließlich das Angebot eines Weiterbildungsseminar für Therapeutenkollegen, das ich kurz vor Ende des vergangenen Jahres dann gehalten habe: „Lebensglück selbst gestalten – Altes abschütteln und Lebensgeschichte(n) neu schreiben.“ Zwei Tage mit engagierten und kreativen KollegInnen und mit ihnen gleich eine ganze Reihe großartiger Erfahrungen.
Die Aufforderung im Seminartitel, das Lebensglück selbst zu gestalten, ist schon eine echte Provokation, eine Zumutung – aber eben auch eine gewaltige Chance. Mit Risiken und Nebenwirkungen. Voraussetzung für Veränderung ist zunächst die ehrliche Analyse, um den eigenen Standort zu bestimmen. Herauszufinden, wie es um mich steht, was anders werden sollte, soll, müsste, ja muss. Woran ich leide. Und ob ich wirklich bereit bin, dieses Leid loszulassen. Das Alte, das daran hängt, dahinter steht und wirkt, wirklich zu verabschieden, loszulassen, abzuschütteln. Eher ungeliebte Gefühle lassen sich auf diesem Weg blicken, Wut, Groll, Hass, Scham, Angst. Ade, Du mein vertrautes Elend! Leb wohl – ohne mich. Und mir dann Gedanken machen, wie es denn statt dessen, anders, künftig besser weitergehen könnte.
War es bis hierhin – auch für die Seminarteilnehmer – mühselig bis schmerzhaft, beginnt damit zur Belohnung der angenehmere Teil: es macht nämlich riesigen Spaß, spielerisch sich Neues vorzustellen, auszuprobieren, mit Optionen herum zu jonglieren. Soweit – so gut. Der wirklich entscheidende nächste Schritt ist, sich dann aber auch für eine Option, eine der denkbaren Möglichkeiten zu entscheiden und sie handelnd umzusetzen. Ein Bild zu malen beispielsweise, von dieser guten Zukunft. In den herrlichsten Farben, die für einen ganz persönlich die damit verbundenen Gefühle und Vorstellungen symbolisieren (siehe mein Buch zur Methode „Die Drei Bilder Methode- 3BAG Drei Bilder als Gegenüber“). Oder zu schreiben – eine Geschichte neu zu schreiben, die genau diese Möglichkeit verwirklicht. Schreiben ist dabei ein starkes Mittel um zu Handeln. Raus aus dem Kopf und rauf aufs Papier. Denn damit ist es auf einer Ebene jedenfalls verändert, realisiert. Denn hinter das, was geschrieben steht, gehts nicht mehr zurück. Das IST! Und wirkt. Auch als Anstoß, Grundlage, Ansporn für den immer nächsten Schritt. Stillstand war gestern.
Als Komplementärmedizinerin fällt mir dazu spontan ein bekannter Lehrsatz ein: „Schmerz ist der Schrei des Gewebes nach fließender Energie.“ Locker lassen, los lassen, in Bewegung kommen, sich auf neuem Terrain, in ungewohnter Art und Weise zu bewegen, in Gedanken, in den Hirnwindungen mit neu geschaffenen, noch nie gegangenen Verbindungen, körperlich mehr und anders als gewohnt. Ist Leid womöglich der Schrei des Menschen nach Veränderung und Neugestaltung? Nehmen Sie die Provokation an. Probieren Sie es einfach aus, schreiben Sie einfach einmal eine Geschichte. Über Ihre gute Zukunft. Kann ja nichts passieren – oder vielleicht doch?