Hypnose ist eine Methode, um Ziele zu erreichen. Nicht ein Instrument zur Wahrheitsfindung.

Anmerkungen zum Film „Hartwig Seeler – Gefährliche Erinnerung“ am 11.5.2019 in der ARD.

Über Hypnose geistern so allerhand teils gruselige Vorstellungen durch die Welt. Vom Showhypnotiseur, der es vermag, die willenlos gemachten Zuschauer in seiner Show zum Gespött der Menschen zu machen, indem sie beispielsweise in eine Zitrone beissen und auf Grund der vorangegangen Suggestionen dabei lächeln, als sei es ein Pfirsich, Rasierschaum mit Schlagsahne verwechseln, halbnackt auf dem Tisch tanzen – also von vordergründig harmlosen Scherzen bis zu respektlosesten Angriffen auf die Integrität der Menschen, die sich in den Bann von Magiern und Zauberern auf diesem Gebiet haben ziehen lassen. Bis zur Angst, völlig willenlos gemacht zu werden und Dinge zu tun, sogar Straftaten zu begehen, die man bei wachem Verstand niemals machen würde. Dies ist jedoch zum einen erwiesenermaßen unbegründet, und hat zum anderen aber auch gar nichts gemein mit der Hypnose, die Ärzte und andere Therapeuten anwenden, die dafür fundiert ausgebildet sind.

Im genannten Film machte sich ein Privatdetektiv im Auftrag eines besorgten Elternpaares auf die Suche nach der verschwundenen erwachsenen Tochter. Als diese sich zur Bewältigung ihrer Lebensprobleme bei einem Guru auf einer Insel in die Obhut von „angelernten“ Helfern begab, die mit Suggestionen arbeiteten und offenbar ihre persönlichen Themen nicht geklärt hatten, bevor sie ihr Helferbedürfnis auslebten, stellte sich anscheinend ein Missbrauch durch den Vater heraus in der sogenannten Hypnose, der sich allerdings nicht verifizieren ließ und vermutlich eher aus der eigenen Traumatisierung der Helferin mittels einer Art von Übertragung entsprang. Zunächst beeindruckt und darauf „abgefahren“, recherchierte der Detektiv im Film daraufhin, daß es sich bei den Wahrnehmungen in Hypnose nicht um belastbare objektive Fakten handelt. Es kann also keineswegs damit belegt werden, dass etwa ein Missbrauch stattgefunden hat, sofern Bilder in der Trance auftauchen, die dieses vermuten lassen oder sogar nahelegen.

Wie kann man sich das nun im Rahmen einer seriösen Hypnotherapie oder eines hypnosystemischen Coachings vorstellen, bei dem die anleitende Person fundiert ausgebildet und kompetent ist? Zunächst einmal kann ich aus meiner Erfahrung sagen, dass gerade die wirklich traumatisierten Patienten keineswegs in der ersten Trance die Erkenntnis bekommen: „Ach, mein Vater hat mich missbraucht, jetzt ist mir alles klar“. Vielmehr haben sie mit Hilfe ihrer Selbstheilungskräfte die Fähigkeit entwickelt, mit ihrem Trauma zu leben, oft um den Preis von sehr belastenden sogenannten psychosomatischen, oft chronifizierten Krankheiten. Traumatherapie braucht neben dem kompetenten und dafür ausgebildeten Therapeuten Vertrauen, Zeit und eine ruhige Hand, an der Schritt für Schritt individuelle Wahrheiten ans Licht kommen, sofern dies zum Wohle des Patienten erforderlich ist. Und eines ist ganz sicher: Das Unbewusste spürt die Kompetenz des Therapeuten und die Seele schützt sich, damit derartige Inhalte nicht in die Wahrnehmung kommen, bevor der Mensch, der sie erlebt hat, sie auch verkraften und integrieren kann. Zudem wird hierbei keineswegs das Belastende ein weiteres Mal durchlitten, vielmehr gerade darauf geachtet, daß keine Retraumatisierung erfolgt.

Wie gesagt: Hypnose ist eine Methode, um Ziele zu erreichen. Das Ziel ist beispielsweise im medizinischen Kontext „frei von Schmerzen“ zu sein. Dies darf allerdings nur Hand in Hand mit medizinischer Klärung der Ursachen dieser Schmerzen erfolgen, muss also sicherstellen, dass nicht etwa an Stelle von schuldmedizinischer Diagnose und Therapie dem Patienten ein Schaden entstehen kann. Begleitend (in der Zeit, bis diese Therapie greift) oder komplementär, etwa bei nicht (mehr) behandelbaren Schmerzen z.B. von einem Tumor ausgehend, kann allerdings die Hypnotherapie die Lebensqualität ungemein verbessern und ein Segen sein. Beispiel: Der Gang zum Zahnarzt wird Ihnen durch die Hypnose nicht erspart – denn das könnte ernsthaft Schaden für Sie bedeuten, wenn Sie einen kariösen oder gar eitrigen Zahn nicht rasch behandeln lassen. Aber die Zeit, bis Sie beim Zahnarzt auf dem Stuhl angekommen sind, können Sie, wenn Sie Selbsthypnose erlernt haben, wesentlich angenehmer verbringen, oft weitgehend schmerzfrei überbrücken, und auch die Behandlung selbst eben so angenehm erleben, wie noch nie zuvor. Die Liste nicht nur der Erfolgsgeschichten, sondern der wissenschaftlich belegten Indikationen zu den gesundheitlichen Problemen, bei denen Hypnose wirkt, ist lang. Analog im psychotherapeutischen Bereich, wo Studien belegen, wie hilfreich Hypnose bei Ängsten, Phobien, Verhaltensstörungen u.a. wirken kann. Und – mein liebstes „Spielfeld“ inzwischen: Die Möglichkeiten, nicht nur sozusagen aus dem Negativbereich in die gewünschte individuelle „Normalität“ zu kommen, sondern aktiv an der eigenen Entwicklung mitzuarbeiten und Wege zu Erfolg und Lebensfreude zu bahnen, sind so viel größer, als sich das jemand vorstellen kann, der diese jahrtausendealte Methode auf dem Boden der Erkenntnisse der modernen Wissenschaft der Synergetik und der Neurowissenschaften noch nicht für sich kennengelernt hat.

… nicht aber ein Instrument zur Wahrheitsfindung.

Gehört habe ich zwar schon davon, dass es im Polizeidienst tätige Psychologen gibt, die mit Hilfe von Hypnose auch Fakten unter Trance herausfinden. So zum Beispiel kann ich mir vorstellen, dass die Erinnerung eines Zeugen Hinweise – wie etwa ein am Waldrand parkendes Auto, das er auf einem Spaziergang gesehen hat, ohne dem eine Bedeutung beizumessen, sogar so weitgehend hervorbringen kann, dass Marke, Farbe, Kennzeichen oder Besonderheiten auftauchen, die den Fahndern weiterhelfen. Dies mag mit einer besonderen Vorgehensweise von hier erfahrenen Spezialisten möglich sein.

Im persönlichen Kontext von Therapie und Coaching gilt allerdings, dass es sich immer um die subjektive Wahrheit des Patienten handelt. Die Tante beispielsweise, die einen immer abgeknutscht hat, oder der man Küsschen geben musste, ob man das wollte oder nicht, kann so von der Seele eines wehrlos dem ausgelieferten Dreijährigen womöglich als massiv übergriffig und damit in einer gewissen Weise ihn missbrauchend erlebt worden sein. Wenn ihm kein Schutz seitens der Eltern gewährt wurde, seine Willensbekundungen ignoriert oder sogar a priori von ihm selbst unterdrückt worden waren, aus Furcht oder unbewusstem Wissen, keine andere Chance zu haben. Den Willen eines Kindes nicht zu respektieren ist eine sehr unschöne Sache – ist aber nicht gleichzusetzen mit einem strafrechtlich definierten Missbrauch, so gewaltig die Wirkung individuell auf die Seele auch gewesen sein mag. Sie können sich das in etwa so vorstellen, wie wir ja auch in der Erinnerung unsere Lebensgeschichte immer wieder neu schreiben. Fakten sind weniger relevant für unsere erlebten Stationen, als die Gefühle, die damit verbunden waren. Und nicht selten erleben wir etwa, dass der Hinterhof des Hauses, in dem wir uns als Fünfjährige verloren fühlten, weil er so riesengroß war, so völlig anders ausschaut, wenn wir diesen vierzig Jahre später einmal wieder betreten. Das Gefühl ist wahr. Die Fakten, die es hervorgerufen haben, auch, eben entsprechend. Und eben subjektiv, und damit relativ. Und das ist gut so – lässt es uns so doch auch ganz konkret an etwas festmachen, dass WIR inzwischen groß geworden sind. So groß, dass wir gar nicht mehr verstehen, wie wir uns in dem kleinen Hof jemals dermaßen verloren fühlen konnten.

Um abschließend auf den Filmtitel Bezug zu nehmen: Gefährlich sind also niemals die Erinnerungen. Gefährlich kann werden, wenn mit Erinnerungen manipulativ umgegangen wird. Und gefährlich ist es auch, Erinnerungen unkritisch mit belastbaren Fakten gleichzusetzen.